 |
 |
Restaurierung eines Steinheil Refraktors aus
dem Jahr 1870
Links im
Bild eine Originalabbildung, daneben die Beschreibung des Instruments aus einem
alten Katalog der Firma Steinheil und Söhne von 1872. Die Öffnung
beträgt 162 mm bei einer Brennweite von 2.274 mm bei f/14.
Bild öffnen des Katalogblattes mit
Preisliste. |
|
Über die gravierte Objektivnummer
(6599) konnte - unter anderem über das Steinheil Firmenarchiv - der
Auftraggeber ermittelt werden. Es war Moritz Mittenzwey, der "Erfinder" des
Mittenzwey Okulars. Mittenzwey (18361889) war eigentlich Chemiker und war
Eigentümer einer chemischen Farbrik in Pölbitz (Sachsen) in der
Nähe von Zwickau. Er war aber auch immer an Astronomie (als Amateur) und
an astronomischer Optik interessiert und stand viel mit Ernst Abbe in Jena in
Kontakt. Der Refraktor wurde 18. September 1873 von Steinheil an Moritz
Mittenzwey geliefert. Der komplette Lebenslauf von Mittenzwey
ist hier zu finden . |
|
Das Teleskop kam nach der Wende aus der
ehemaligen DDR in die alten Bundesländer. Es wurde zuvor offenbar
jahrelang in einem Kohlenkeller gelagert, dementsprechend erbarmungswürdig
war der Gesamtzustand. Das Bild rechts zeigt einen Blick von hinten auf den
Tubusflansch des Okularauszuges.
Es war auch nicht mehr komplett
vorhanden. Es fehlten:
- Das
Sucherfernrohr,
- der komplette
Polblock und die Rektaszensionsachse und das
- komplette
Stativ.
Alle fehlenden Teile
wurden komplett nach einigen Originalabbildungen nachgebaut. |
 |
|
|
Das Objektiv war
oberflächlich in recht gutem Zustand (Kratzer, keine Schlieren oder
größere Blasen im Glas) aber stark verschmutzt und wurde bei Zeiss
in Jena in kompetente Hände gegeben. Dort wurde es gereinigt, die Fassung
leicht überarbeitet und neu zentriert. Auf eine Vergütung und/oder
Entspiegelung wurde verzichtet, was dem Objektiv nicht zum Nachteil geriet.
Spätere Beobachtungen zeigten, dass es bis auf die übliche
Restchromasie einfacher Fraunhofer Objektive von sehr guter Qualität ist
(Bildschärfe, Abbildungskontrast). |
|
|
|
Der Tubus
war wie oben schon erwähnt in einem sehr
schlechten Zustand. Die folgenden Bilder zeigen einige Ansichten des
Teleskoptubus vor Beginn der Arbeiten. |
|
 |
 |
 |
 |
Das Gegengewicht (28Kg Blei) |
Die Objektivfassung |
Der Objektivdeckel |
Tiefe Risse im Holztubus |
|
 |
 |
« « In der (sehr
dünnen) Mahagonifurnierung des Tubus befanden sich tiefe Druckstellen. Die
Lackierung des Tubus wurde mit einer Lackmischung behandelt, der mit keinem
heute zutage handelsüblichen Abbeizer beizukommen war.
« Der komplette Tubus wurde deshalb mit einem
Schabemesser solange behandelt, bis die Lackschicht und alle Druckstellen
entfernt waren. |
|
Anschließend wurde mit Sandpapier geschliffen und zum Schluss
auf einer Rollenauflage in einem durch eine Sauna auf 40 Grad aufgeheizten
Arbeitsraum von einem erfahrenen Tischler mit einem speziellen Bootslack und
mit der Hand lackiert. |
|
» » » Das Bild
zeigt den fertig geschliffenen Tubus vor der
Außenlackierung.
»
» Ein großes Problem war die Innenbearbeitung des
Teleskoptubus wegen der insgesammt 21 fest eingebauten
Blendenringe.
Zuerst wurde mit einer Stahlbürste, die über
einen Stab verlängert war, alle losen Reste der Innenlackierung und
Schmutzpartikel gelöst und der Tubus anschließend
ausgesaugt.
» Vor der
Innenlackierung wurde der Tubus innen mit einer desinfizierenden Lösung
ausgespritzt - auch zur Abtötung von Pilzbefall. Dazu wurde eine umgebaute
Gartenspritze mit verlängerter Düse mit einem Druck von |
 |
 |
 |
|
3 bar eingesetzt. Nach Trocknung wurde der Tubus mit tief
mattschwarzem Lack bei ständiger Drehung des Tubus auf der Rollenauflage -
satt - lackiert.
|
Die Messingteile |
|
Einige der Messinteile - wie z.B. die völlig verformten Ringe
für das Sucherfernrohr (») waren nicht
zu retten und wurden neu hergestellt.
Alle anderen Messingteile (»
») wurden soweit möglich in die Drehbank aufgenommen und bei
dicken Wandstärken übergedreht. Wo dies nicht möglich war, wurde
mit |
 |
 |
 |
Sandpapier gearbeitet und
zum Schluss mit feinster Stahlwolle poliert. Aschließend wurde alle
Messingteile mit transparentem, hochglänzenden Zaponlack behandelt. Die
Bilder zeigen das Gegengewicht vor- und den Flansch des Okularauszuges nach der
Bearbeitung. |
|
Die fehlenden Teile der
Montierung |
|
 |
 |
 |
Ein großes Problem stellte der Nachbau des kompletten Polblocks
dar. Zuerst wurde ein Polblock nach einem Holzmodell aus Bronze
gegossen.
Die Bearbeitung auf der Fräsmaschine erwies jedoch als zu
gefährlich und die weitere Bearbeitung wurde abgebrochen. |
|
» Stattdessen wurde der Polblock
stufenförmig aus einem massiven Aluminiumblock vorgefräst und
anschließend mit Aluminiumspachelmasse in seine endgültige Form
gebracht.
» » Die Halterung
für die Stundenachse wurde aus Aluminium gefertigt und auf den Polblock
aufgesetzt. Das Bild rechts zeigt den Polblock mit montiertem
Achskreuz.
Auch nicht
unproblematisch war der Nachbau des Stativs und secheckigen konischen
Säule für die Montierung. |
 |
 |
|
Nachbau des Stativs |
|
 |
 |
Die ganze Einheit wurde aus MDF-Platten zusammengebaut,
anschließend mit Mahagoni furniert und abschließend ebenfalls mit
Bootslack behandelt. |
Ganz zuletzt bekam das Dreibein Nivellierschrauben und Rollen zum
leichteren Bewegen des Teleskops.
Polblock und Stativ werden über
eine durchgehende M20 Gewindestange miteinder fest verbunden. |
 |
|
|
 |
 |
Heute steht das Gerät - neben anderen historischen Teleskopen an
seinem endgültigen Ort («). Zuvor wurde
das Teleskop jedoch am Sternenhimmel getestet («
«). Abgesehen von die für Fraunhofer Objektive typische
Restchromasie, zeigt das Objektiv eine extrem scharfe und kontrastreiche
Abbildung; umso erstaunlicher als Objektive in der damaligen Zeit mit der Hand
- und ohne die heute üblichen Test- und Messmethoden - "hingepröbelt"
wurden.
Versuch einer historische
Wertermittlung des Steinheil Refraktors
Ganz oben in der
Abbildung steht ein Kaufpreis von 3.400 FL. FL steht für Florin
(gleichbedeutend mit Bayrischen Gulden). Zur Wertermittlung wurde das
Jahreseinkommen (im Jahr 1873) des Reitstallmeisters der Familie Krupp
herangezogen. Es betrug 620 Florin, somit repräsentierte der Wert des
Teleskops 5,5 komplette Jahresgehälter.
- Gesamtarbeitszeit der
Restaurierung - verteilt über 4 Jahre - ca. 700 Stunden
- Reine Materialkosten ca.
3000 Euro
|
|
|
|
|
All Images and all
Content are © by Wolfgang Paech |